Träume bis zum Untergang – Kai Hirdt
Cameron Rioz hat die Erinnerungen an seinen Aufenthalt in der Anomalie zurück. An Bord der HALUTA, die durch die Southside der Milchstraße kreuzt, berichtet er seine Erlebnisse. Icho Tolot, Bonnifer und Jasper Cole sind seine erstaunten Zuhörer. Um der Gefangenschaft durch Shrell zu entgehen, haben er und der Wyconder den Schritt ins Brennende Nichts gemacht. Nun körperlos erkennen die beiden Conduite andere Bewusstseine in der Anomalie, die in Blasen durch das Nichts treiben. Cameron findet dort auch Gucky und Sichu Dorksteiger, die er an Bord der ELDA-RON auf Bonnifers Geheiß hin in das Mentatron gesperrt hatte. Die beiden träumen und Cameron kommt nicht in Kontakt zu ihnen.
Der Bericht des Trividders wird unterbrochen. Sein Zustand verschlechtert sich und Tolot findet in der Medostation seines Schiffes, wohin er Cameron bringt, keine Erklärung dafür. Bevor er ihn in einen Heilschlaf versetzt, will Cameron noch eine wichtige Erinnerung an Bonnifer weitergeben. Es täte ihm leid für den Wyconder, der lebenslang … Hier bricht Cameron ab. Der Wyconder ist nach der abgebrochenen Botschaft gereizt, weil er glaubt, etwas Wichtiges konnte ihm nicht mitgeteilt werden.
Cameron berichtet schließlich weiter. Er findet in der Anomalie auch das Bewusstsein von Lyta, seiner Freundin. Wie alle anderen hat sie sich eine Traumwelt geschaffen. Sie lebt mit Cam in Terrania in einer sündhaft teuren Wohnung und es geht beiden prächtig. Cam gelingt es nicht, sie aus dem Traum zu reißen. Er verlässt ihre Blase, um anderswo Hilfe zu finden. Bonnifer und er entdecken Bewusstseine von Menschen, die auf Luna und Terra von Anomalien verschlungen wurden. Es gibt also eine Verbindung. Artgenossen von Bonnifer finden sie jedoch nicht. In Sichus Traumwelt entdeckt Bonnifer, dass ihre Traumpositronik den gleichen Namen, nämlich NORA, wie die Positronik NORA der ELDA-RON in der realen Welt hat. Tatsächlich nimmt die Traumpositronik Befehle von Bonnifer entgegen und führt sie in der realen Welt aus. Die beiden materialisieren auf der ELDA-RON. Dumm nur, dass sie unter Gedächtnisschwund leiden und schnell wieder in die Anomalie zurückkehren müssen. Der Versuch, andere Menschen in die reale Welt zu bringen, scheitert ebenfalls. Sie entdecken auch NATHAN, der kryptisch antwortet: Der erste Rettungsversuch muss scheitern. Nur dann kann der Plan gelingen.
Da sich Camerons Zustand nicht bessert, landet die HALUTA auf Occiroga, um ihn in einer Klinik behandeln zu lassen. Immer die Angst im Nacken, das Wylon Hypertech-Agenten sie aufspüren könnte. Während Cameron dort im Heilschlaf liegt, werden seine Träume per SEMT-Verfahren von Tolot verfolgt.
Die beiden Conduite haben Bonnifers Heimat gefunden. Sie können dort außerhalb eines Geräts materialisieren und treffen auf Tosmethur, die Prälatin des Heiligen Ordens der Datenkunde. Sie bezeichnet das Gerät als Paradim-Speicher. In dem Speicher sind nicht nur Wyconder sondern auch Menschen, darunter Lyta, gefangen. Die Prälatin will unbedingt das Geheimnis wahren, dass die Wyconder selbst das Werkzeug ihres Untergangs kannten und damit arbeiteten. Sie zerstört den Speicher und die darin gefangenen Bewusstseine. Vorher gelingt den beiden Conduiten die Flucht in die Anomalie. Tolot überlegt, wie er Bonnifer beibringen soll, dass es seine Rückkehr war, die zum Tod vieler Bewusstseine führte, auch wenn es nicht seine Schuld war. Da entdeckt der Haluter, dass die SEMT-Übertragung angezapft wurde. Er verdächtigt Wylon Hypertech und Jasper Cole.
Nach der Flucht aus dem Wycosystem wird Cameron von einem Sog erfasst. Als er zu sich kommt, ist er an einem unbekannten Ort materialisiert. Derjenige, der ihn hierher gebracht hat, ist Reginald Bull! Der Unsterbliche hat eine schwarze Hand. Er muss diese einsetzen, um sich gegen Roboter zu verteidigen. Cam erfährt, dass Bull ihn zum Conduit gemacht hat. Bull führt ihn zu einem Physiotron und verpasst ihm eine Zelldusche. Dummerweise wird das Gerät bei einem Gefecht mit Robotern danach zerstört. Sie befinden sich in 5-5-5, dem Zentrum des Sternwürfels. Die Schattenhand und den Würfel hat Bull von Shrell geklaut, die von hier aus die Hiesigen bekämpft hat. Dummerweise konnte einer der Restauraten die Fabriken zur Kampfroboterproduktion vor dem Rausschmiss umprogrammieren. Seit 60 Jahren machen die Roboter Jagd auf den Terraner, der es nicht schafft, die Fabriken lahmzulegen. Nun soll Cam die Schattenhand nehmen und zum Weltenretter werden, während Bull versucht, eine Fabrik einzunehmen.
Auf Occiroga begeht Bonnifer einen schrecklichen Fehler. Er hat Camerons Bericht missverstanden und denkt, er müsse lebenslang in ein Gefängnis. Er war es, der Cameron vergiftet hat und nun entführt er ihn. In der Klinik kommt es aufgrund von Programmierungen an Robotern, die der Wyconder selbst ausgeführt hat, zum einem Feuergefecht. Bonnifer erkennt schließlich seinen Irrtum. Er bezahlt seinen Irrtum mit dem Leben, als er Cameron vor einem Roboter schützen will.
Rezension
Kai Hirdt hatte keine leichte Aufgabe, die verschiedenen Ereignisse seit Band 3300 in dieser Geschichte zusammenzuführen. Er beschreibt nicht alleine Camerons Aufenthalt in der Anomalie, sondern schlägt auch einen Bogen in die Agolei und ins Wycosystem. Nicht zuletzt bringt er Reginald Bull ins Spiel. Die Geschichte wäre alleine damit schon sehr vollgepackt gewesen. Der Autor reichert Camerons Bericht mit einem gegenständlichen Geschehen an, das letztlich den traumatisierten Bonnifer das Leben kostet. Icho Tolot bezeichnet das als einen schrecklichen Unfall. Es ist wohl eher ein schreckliches Missverständnis. Bonnifer glaubte, er müsse lebenslang ins Gefängnis gehen. Da er 50 Jahre Shrells Gefangener war, gab ihm das den Rest. Als er seinen Irrtum erkannte, war es zu spät. Es lag in der Luft, dieser Figur, die ich aufgrund ihres Traumas schon mehrfach im Verdacht hatte, eine eigene Agenda zu verfolgen, einen solchen Abgang zu geben. Alleine die Chronologie der Ereignisse verwirren mich etwas. Bonnifer hat Cameron vergiftet. Allerdings hat Cameron seine abgebrochene Aussage zu dem „Lebenslang“, die er an den Wyconder gerichtet hat, erst in der Medostation der HALUTA gemacht, in die er von Tolot gebracht wird. Von daher müsste Bonnifer ihn schon zuvor vergiftet haben. Es sei denn, Cameron litt an etwas anderem, das den ersten Aufenthalt in der Medostation erforderte.
Die Schilderungen von Camerons ersten Eindrücke aus der Anomalie und die dabei verwendete Sprache eines jungen Trividders harmonierten sehr gut. Das Handeln der Figur fängt genau die spezifischen Interessen und die Haltungen ein, die von der Figur in dieser Situation erwartet werden konnten. Da die Figur bisher nach dem Verlassen der Anomalie geschildert wurde und mit der Schattenhand, haben wir seither eine Figur kennengelernt, die von den Geschehnissen überfordert war. Die Erkenntnisse, die von der Figur in der Anomalie gewonnen werden und die daraus resultierende Lernfähigkeit, machten mir die Figur Cameron insgesamt symphytischer. Ich hoffe, diese Charakterentwicklung, die eigentlich ein Rückblick war, wird durch den Tod Bonnifers nicht torpediert.
Etwas übertrieben waren einige Details beim Zusammentreffen mit Lyta in deren Traumwelt. Hier driftet Kai Hirdt aus der Welt des Trividders etwas ab und geht in Richtung OnlyFans. 😉 Glücklicherweise verzichtet er dann doch auf den Marathon durch 17 Schlafzimmer.
Richtig fies wurde die Geschichte, als die beiden Conduite das Wycosystem erreichen und dort mit den sehr absurden gesellschaftlichen Werten des Ordens konfrontiert werden, die eine Geheimhaltung pflegen, die Zehntausenden oder Hunderttausenden Lebewesen das Leben kostet. Tolots Reaktionen auf das Gehörte beschreibt der Autor sehr gut. Leider wird Tolot nicht die Gelegenheit bekommen, auf die er hofft, denn Tosmethur ist bereits tot. Allerdings existiert der Orden weiterhin.
Hat mir die Geschichte bis dahin gut gefallen, gibt es beim Zusammentreffen mit Reginald Bull eine Art Zäsur im Roman. Es ist insbesondere das Auftreten von Bully, den ich zunächst nicht wiedererkennen konnte. Es dauert eine Weile, bis das zuweilen pfiffige Verhalten dieser Figur an der einen oder anderen Stelle wieder durchblitzt. Die Motive des Unsterblichen bleiben völlig im Dunkel. Der Autor schildert die Figur, die einst mit FENERIK aufbrach eher über actionbetonte Handlungen und über eine gewisse Symbolik. 5-5-5, Schattenhand, Physiotron etc., um einige zu benennen. Bei Reginald Bull fällt dann erneut auch der Satz, den NATHAN Cameron mitgegeben hat. Der erste Rettungsversuch muss scheitern. Nur dann kann der Plan gelingen. Langzeitpläne dieser Art mag ich nicht besonders. Sollte es denn einer sein. Und noch etwas missfällt mir an Bulls Auftreten. Seit er die Schattenhand von Shrell abgeluchst hat, steht die Figur still. Dieses „Verhalten“ kennen wird nur zu gut aus früheren Zyklen. Es muss erst der Titelheld kommen, damit sich etwas bewegt. Warten wir also auf Perry Rhodan. Aber vielleicht überrascht mich Ben Calvin Hary mit einem anderen Verlauf.
Wie passend natürlich, dass das Physiotron, dem Cameron seine Zelldusche verdankt, denn gleich verschrottet wurde. Auch solche passgenauen Ereignisse, die eine Lösung hinauszögern, mag ich nicht besonders. Den Tod Bonnifers und seine letzte Reise hat der Autor sehr emotional beschrieben. Die nächsten Handlungen in der Milchstraße sind jetzt ebenfalls festgeschrieben. Die Helden suchen ein Physiotron.
Insgesamt eine sehr unterhaltsame Geschichte!