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Der ARCHETIM-Schock – von Hubert Haensel – Handlung:
Auf dem Neptun-Mond Triton geht die Genetikerin Rya Pascoe ihrer Arbeit nach. Sie hat sich auf Auftragsarbeiten spezialisiert. Seit der Versetzung des Solsystems sind ihre zahlungskräftigen Kunden außer Reichweite. Ein von ihr für einen arkonidischen Kunden designter Drache entwickelt ungeahnte Intelligenz. Sehr gerne wäre sie ihr „Kind“ losgeworden, doch Irp, wie sie den Drachen getauft hat, muss aufgrund der Umstände vorerst bei ihr bleiben. Über Trivid verfolgt die Gen-Designerin die aktuellen Nachrichten aus dem Solsystem, während sie sich auf die Suche nach einer fluoreszierenden Tarantel macht, die ausgebüxt ist.
Callis Varro, Kommandant des Schweren Kreuzers BAMAKO ist im Einsatz in der Nähe Neptuns. Seine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, Gesteinsbrocken, die aus der Oortschen Wolke stammen, unschädlich zu machen, bevor sie Planeten und Monde gefährden können. Varro beobachtet mit den Instrumenten seines Schiffes die Sonne, bzw. die Fimbul-Kruste. Über Flottenfunk lässt er sich über die Entwicklungen informieren, allerdings sind die Aussagen der Regierung zu den Vorgängen um Sol sehr zurückhaltend.

Schließlich gerät die Fimbul-Kruste in Schwingungen und wird an einer Stelle durchlässig. Vierzehn Nagelraumer der Spenta verlassen in Formation fliegend das Innere der Sonne. Sie scheinen etwas mit sich zu führen, das von den Ortungsgeräten nicht richtig wahrgenommen werden kann. Fast gleichzeitig mit dem Ausflug der Schiffe, erleben die Bewohner des Solsystems starke Emotionen.
Befriedigt verfolgt der Sayporaner Paitäcc die Auswirkungen des ARCHETIM-Schocks auf die Bewohner des Solsystems. Er gibt der auf Neptun verborgenen Flotte den Angriffsbefehl. 40.000 Zapfenraumer verlassen den Neptun und greifen die terranische Flotte und die solaren Welten an. Die Dosanthi verbreiten ihre Angst-Ausdünstungen. Paitäcc hat es insbesondere auf die Kristallkugeln abgesehen, die für die Aufrechterhaltung der systemumspannenden Sextadim-Blase zuständig sind. Wird diese von QIN SHI stammende Technik ausgeschaltet, können auch die vor dem System wartenden Sternengaleonen einfliegen.

Nur langsam lassen die Emotionswellen nach, die durch den Abtransport des SI-Korpus entstanden. Auf Terra erhält Henrike Ybarri die Nachrichten von den angreifenden Zapfenraumern. Eine Schlacht scheint unvermeidlich. Da meldet sich ihre Tochter Anicee.
Zur gleichen Zeit kehrt Reginald Bull mit der LAERTES in das Solsystem zurück und erlebt die letzten Auswirkungen des ARCHETIM-Schocks. Beim Anflug auf Terra hört der Resident eine Funkbotschaft Anicees an Paitäcc. Sie erklärt, dass der Umbrische Rat die legitime Regierung sei und fordert die Einstellung aller Kampfhandlungen. Der Sayporaner lässt tatsächlich die Waffen schweigen. Anicee und Mitglieder des Rats fliegen zu Paitäcc zu Verhandlungen. Bull wird über die Ergebnisse nicht informiert. Er trifft sich mit Chourtaird, Delorian, Ybarri und Anicee, um die weiteren Schritte zu besprechen. Der Psi-Korpus hat das Solsystem verlassen, begleitet von einigen terranischen Schiffen und die Spenta treffen vereinbarungsgemäß alle Vorbereitungen zum Rückbau der Ephemeren Folie. Ein Flottenverband soll die Brückenwelt anfliegen, um Zugriff auf das Totenhirn nehmen zu können. Chourtaird verlangt die Einhaltung von Bulls Verpflichtung. Das Weltenkranzsystem soll von der Herrschaft der Akademie für Logistik befreit werden. Bull schickt dazu Schiffe, die von der TOLBA und dem Bund der Sternwürdigen begleitet werden. Außerdem werden Schiffe ins Lichtwirt-System entsandt. Anicee ist mit allen Entscheidungen einverstanden.

Auf Triton rettet die Genetikerin Rya Pascoe den Schiffskommandanten Callis Varro aus einer Rettungskapsel. Sein Schiff wurde beim Kampf gegen die Zapfenraumer vernichtet. Pascoe und Varro freuen sich darauf den neuen Sonnenaufgang auf Triton zu erleben.

Rezension:
Der Autor Hubert Haensel holt ein wenig von dem nach, was in der Sol-Ebene bislang Mangelware war, nämlich Augenzeugenberichte von Normalbürgern zur Situation im Solsystem. Die früheren Romane dieser Erzählebene vermittelten trotz mehrmaliger Invasionen, Bedrohungen, Zerstörungen und dem Ausschalten der Sonne bislang eine zuweilen lethargisch anmutende Einstellung zumeist aus Sicht von Regierungsmitgliedern oder Angehörigen der Flotte. Nicht nur der Namensgeber der Serie scheint schicksalsergeben zu sein, auch die solare Menschheit zeigte bislang wenig Bereitschaft, sich den schädlichen Einflüssen von außen ernsthaft entgegenzustemmen.
Ein übliches Stilelement solcher Romane ist leider, dass die Hauptpersonen der Serie, d.h. die eigentlichen Entscheidungsträger bewusst dumm und handlungsunfähig dargestellt werden. Lediglich den Nebencharakteren wird im kleinen Rahmen ein zielgerichtetes und zuweilen erfolgreiches Handeln eingeräumt. Das Ziel des Romans war somit klar. Der Autor sollte eine Situation schildern, wo allerorten Chaos herrschte. Da die Sol-Erzählebene sich bis hierher sowieso als wenig durchdacht und chaotisch gezeigt hat, viel es dem Autor auch nicht schwer, den zahlreichen Merkwürdigkeiten weitere chaotische Szenen hinzuzufügen. Zu viele Ungereimtheiten reihen sich momentan aneinander. Am Anfang, als die Erzählebene aufgebaut wurde, hoffte ich noch das eine oder andere Mal, dass dem Expokrat und den Autoren für die vielen Widersprüche doch noch ein paar logische Erklärungen einfallen würden. Doch beim jetzigen Stand des Zyklus ist das reines Wunschdenken. Da kommt nichts mehr. Statt die bisherigen Widersprüche und Ungereimtheiten aus dem Weg zu räumen, sind dem Autor im vorliegenden Heft weitere Dinge aus dem Ruder gelaufen. Die Handlung geriet in Teilbereichen unlogisch.

Eine Szene sollte besonders hervorgehoben werden. Bull trifft mit Abklingen des ARCHETIM-Schocks im Solsystem ein. Gleichzeitig werden die Zapfenraumer im gesamten System aktiv. Das rührt den Residenten oder vielmehr den Autor überhaupt nicht. In aller Seelenruhe schippert Bull durchs Solsystem, um zur Solaren Residenz zu gelangen. Dabei sichtet er ein paar Daten. Auf Seite 51 lässt der Autor dann seine Figur Bull sinnieren, dass nichts unumstößlich sei, wenn man entschlossen genug vorging. Ja hallo lieber Hubert, warum tust (schreibst) Du es dann nicht!
Überzeugen konnten mich an Hubert Haensels Roman nur die Elemente, die mit dem eigentlichen Zyklusgeschehen nichts zu tun hatten. Die Genetikerin gehört zu diesen Elementen. Der Autor vermeidet zwar weitgehend eine tiefergehende Auseinandersetzung mit ethischen Fragen zu den Arbeitsergebnissen seiner Figur, dennoch waren diese Abschnitte der Geschichte interessant geschrieben. Das lag natürlich an der seltsamen Sicht der Dinge, die Rya Pascoe an den Tag legte. Auf der einen Seite kreiert sie eine leuchtende Tarantel und einen fliegenden Drachen mit Arkonidengesicht, wundert sich aber andererseits über Kühe und Zebras auf einer Weide und bezeichnet diese Mischung als Stilbruch!

Dem Abzug der Spenta mit dem Korpus ARCHETIMS schenkt der Autor viel Aufmerksamkeit. Nahezu aus jeder möglichen Perspektive wird der Abzug von Hubert Haensel beleuchtet. Aus Sicht des kleinen Schiffskommandanten am Rande des Solsystems, aus Sicht der Medien, aus Sicht der Regierung, aus Sicht der Genetikerin und so fort. Das erzeugte einige unnötige Längen.
Überaus merkwürdig ist einmal mehr der Umgang mit dem sog. Umbrischen Rat. Die Sayporaner (welche Berufsgruppe hat eigentlich die Formatierung veranlasst, die Chour oder die Anderen?) haben die Jugendlichen umformatiert. Der Rat wurde von der gewählten Regierung Terras wieder abgesetzt, mischt mal hier, mal dort mit, führt Verhandlungen mit Invasoren, sitzt in irgendwelchen Besprechungen, hat Einwände oder eben keine und alle anderen Terraner spielen brav mit. Das ist schon hanebüchener Unsinn, den sich Uwe Anton da ausgedacht hat und der von den Autoren mitgetragen wird, die sich in den Romanen ständig verbiegen müssen, um diese Zykluselemente fortzuführen. Hubert Haensel spricht im Roman von innenpolitischen Konflikten, würde der Umbrische Rat nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen die einzige Äußerung, die der Autor zu diesem Thema abgibt. Als wäre damit alles erklärt!

Kurz vor Ende des Romans sät das Team Expokrat/Autor wieder etwas Hoffnung. Ein paar Entscheidungen werden gefällt. Die Terraner brechen zu anderen Systemen der Anomalie auf. Doch solche Ankündigungen gab es zuhauf in diesem Zyklus. Echte Initiative und entschlossene Vorgehensweisen folgten nur selten. Meist ließen sich die Helden die Butter vom Brot nehmen oder andere holten die Kohlen aus dem Feuer.
Das Romanende war dann einmal mehr eine Enttäuschung. Die Sonne soll wieder aufgehen. Was macht der Autor? Er schreibt nichts über diese Szenerie, nichts über die Emotionen der Menschen, er kündigt das Geschehen lediglich an. Dabei hätte der Autor mit einer leidenschaftlichen Schilderung des Sonnenaufgangs ein wenig Boden gut machen können.


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