Die Geister von Gotham – Michelle Stern
Die beiden durch die Zeit gereisten Gaytasii sind eine große Bedrohung für die ES-Fragmente. Der Chronokontrakt bindet sie. Zwar wurde eine der beiden, Paytürin, inzwischen getötet, doch Tenxü konnte entkommen. Wie die Vorkommnisse um die Steinerne Kreatur des Erbarmens zeigten, verfügt Tenxü über große Machtmittel. Die Kreatur konnte im Duyyun-Veyt-Zentrum nur mit großer Mühe ausgeschaltet werden. Nun will man die Zeitreisende in eine Falle locken. Aurelia Bina in Gestalt von Xenia Biefang soll den Lockvogel spielen. Doch die Gaytasii fällt nicht darauf rein. Die Verantwortlichen müssen allerdings mit ihren eigenen Plänen vorankommen. Wie wird das ES-Fragment, das die Blaugoldraumer in sich bergen, auf den Mentalarchitektur-Prozessor reagieren?
Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wird die Leiterin des IEME an Bord der VORSICHTERBARMEN gebracht. Aurelia Bina, Damar Feyerlant und die Majorin Akthra koordinieren den Einsatz. Sichu Dorksteiger überprüft an Bord des Blaugoldraumers die Einrichtungen, als sie auf ein Phänomen aufmerksam wird. Energetische Partikel treten aus dem Schiff aus. Offensichtlich lösen sich Fragmentpartikel aus der Masse der Superintelligenz. Der näherkommende Mentalarchitektur-Prozessor scheint den Vorgang auszulösen. Die Eskorte, die Xenia Biefang begleitet, wird von einer weiteren Kreatur der Gataser angegriffen. Mit Mühe kann man sich des Angreifers entledigen. An der VORSICHTERBARMEN angekommen, werden Schutzschirme so gestaffelt geschalten, dass Bina, Feyerlant, Akthra und Biefang an Bord gehen können. Nun greift Tenxü mit weiteren Kreaturen an. Damar versucht verzweifelt Zugriff auf die ZytoKybs zu nehmen. Die von Tenxü aktivierten und gesteuerten Zukunftsmaschinen werfen sich zum Teil in die Schutzschirme und können darin eindringen und Tenxü ein durchdringen ermöglichen. Biefang und die anderen flüchten sich tiefer ins Schiff. Dort kommen ihnen die Partikel entgegen. Tenxü ist nun auch in der VORSICHTERBARMEN. Raumsoldaten und TARAS attackieren sie. Dorksteiger stellt fest, dass die ES-Partikel Xenia Biefang erreicht haben. Statt sich jedoch mit dem Mentalarchitektur-Prozessor zu verbinden, streben sie vorbei. Eines dringt in Akthra ein. Die Majorin wird dadurch verwirrt und ihr Stellvertreter muss das Kommando übernehmen. Endlich kann der Konnektor Zugriff auf die ZytoKybs in Tenxü nehmen. Damar gibt ihnen den Befehl, dass die Gaytasii schlafen soll. Sie kann nun überwältigt werden. Tenxü wird schwer verletzt in eine Klinik verlegt. Auch Akthra kommt dort hin. Tenxü lehnt eine Hilfe von Damar ab und stirbt.
Die TLD-Direktorin und der Mutant machen sich nun auf die Verfolgung der ES-Partikel. Wie es scheint, werden die Partikel von Menschen angezogen, die Implantate mit Hyperkristallen tragen oder sonst einen Kristall im Körper haben. Betroffene Menschen zieht es nach New York. Es scheint dort einen Attraktor zu geben, der die Partikel anzieht. Andere Partikel zieht es zu Sol. Die Sphragis darin scheint sie anzuziehen. Akthra verschwindet aus dem Krankenhaus. Sie macht sich auf den Weg nach New York. Aurelia Bina und Damar Feyerlant folgen ihr. Vor Ort werden sie von John Wetterhahn und KAA unterstützt. Von den Partikeln betroffene Menschen verhalten sich irrational. Damar befürchtet eine Reaktion, wie sie die Panjasen gezeigt haben. Die Recherchen führen Damar und KAA auf die Spur der Schriftstellerin Spia Aschmoun. Bei einer öffentlichen Lesung haben ES-Funken ihren Kopf umtanzt. Auch Akthra fühlt eine Beziehung zu dieser Frau.
Damar Feyerlant wird von Spia Aschmoun in eine Falle gelockt und verhört. Derweil findet Aurelia Bina erstaunliches über die Reiseschriftstellerin heraus. Die Frau scheint seit 3200 Jahren Reiseliteratur zu verfassen. Die Posmi ist sich inzwischen sicher, wer Spia Aschmoun ist. Sie verfolgt Spia Aschmoun, die von Damar abgelassen hat. Die Frau fliegt Richtung Meer und taucht schließlich darin unter. Aurelia folgt ihr. Die Verfolgung endet in einer unterseeischen Halle, die eine tefrodische Umgebung darstellt. Aurelia Bina wird von Vetris Molaud und Spia Aschmoun alias Soynte Abil begrüßt. Sie befindet sich an Bord der LEUCHTKRAFT, die seit über 3000 Jahren auf der Erde im Meer verborgen liegt. Ein ES-Fragment ist an Bord, das von Antanas Lato betreut wird. Der Terraner wurde von DAN und dem ES-Fragment über 3000 Jahre vital gehalten. Andere Fragen, die Aurelia Bina hat, müssen warten. Sie informiert Cascard Holonder. Dann taucht die kobaltblaue Walze nach 3000 Jahren des Wartens aus dem Meer und schwebt über New York.
Rezension
Langsam kommen die Dinge in Bewegung. Die Ereignisse, die Michelle Stern in ihrem Roman schildert, verbinden Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Aus der Zukunft werden in dieser Geschichte die beiden Gaytasii aktiv. Bzw. eine von ihnen, denn die andere wurde im Roman der Vorwoche getötet. Es sind ES-Gegner, die beauftragt worden waren, Gen-Material der Yaqana in die Zukunft zu senden, damit dort eine Irreführungsentität geschaffen wird. Dies ist ja offensichtlich geschehen, auch wenn der Einsatz der beiden Zeitreisenden mit ihrem Tod endet.
Die anderen Geschehnisse laufen in der Gegenwart ab. Im Grunde stochern die Terraner im Nebel herum. Das IEME hat zwar einige Fortschritte in der SI-Forschung gemacht, aber letztlich wird alles dem Zufall überlassen. Man bringt den Mentalarchitektur-Prozessor zum ES-Fragment und hofft, dass sich was tut. Es tut sich auch was. Allerdings nicht das, was man sich erhoffte. Die ES-Funken verlassen den Blaugoldraumer und streben auf zwei Attraktoren zu. Der eine ist im inneren von Sol. Der andere scheint die LEUCHTKRAFT zu sein, bzw. das dort in der Transzendenten Kammer betreute ES-Fragment. Nach Vetris-Molauds Aussage, hat es sich in den letzten 3000 Jahren deutlich konsolidiert. Ob es diese Stabilität ist, die die anderen Partikel anzieht, muss sich noch zeigen. Das Schicksal Perry Rhodans und Shema Ghessows bleibt zunächst ungeklärt.
Die Begegnung mit den beiden Zellaktivatorträgern fällt an das Ende der Geschichte. Die Erläuterungen zu ihrem Versteckt halten auf der Erde über 3000 Jahre fallen dadurch kurz aus. Aber offensichtlich hat DAN die Auswirkungen auf die Zeitlinie penibel überwacht und den beiden eine Einmischung verboten. Ob dies noch mal näher beleuchtet wird, täte ich mir wünschen. Die Frage ist, ob es notwendig ist. Aber wenn die LEUCHTKRAFT in der Erde steckte, dann hat sie einiges erlebt. Sie müsste ca. 2500 – 2700 alter Zeitrechnung dort aufgetaucht sein. Danach ist ja allerhand passiert.
Der Roman zeigt eine interessante Spannungslinie. Am Anfang wurde Action geboten. Und das nicht zu knapp. Die Ereignisse, die von der Autorin mit dem Transport von Xenia Biefang zur VORSICHTERBARMEN in Gang gesetzt werden, mit den Angriffen unterwegs, dem Eintreffen am Schiff und den Kämpfen im Schiff waren superspannend geschildert. Ich hatte keine Ahnung, wie das ausgehen würde. Danach folgt ein Phase der Konsolidierung. Die Wunden werden geleckt, Überlegungen angestellt, Analyse betrieben. Die Figuren werden aufgeteilt. Einiges konzentriert sich Richtung New York. Auch dort gibt es ein Auf- und Ab in der Spannungskurve. Michelle Stern baut auch viele Beschreibungen ein. Einiges mutet beinahe banal an, wenn die Figuren, weil ihnen der Magen knurrt, erst mal essen müssen. Aber die Autorin zieht auch hier wieder sofort die Zügel an. Sie lässt es sich auch nicht nehmen zwischendurch die im letzten Roman aufgeworfenen Fragen einer Überwachung durch NATHAN zumindest ein Stück weit zu relativieren. Ein Zurückrudern ist das nicht. Aber auch kein vollständiges Aufatmen. NATHAN wird ein Thema bleiben, dessen bin ich mir sicher.
Schließlich biegt die Autorin auf die Zielgerade ein. Die Einsprengsel einer Reiseschriftstellerin, die den Roman durchziehen, bekommen nun eine Bedeutung. Sie werden einer Person zugeordnet. Letztlich verbirgt sich dahinter eine Unsterbliche. Michelle Stern lässt am Ende die Katze aus dem Sack. Die LEUCHTKRAFT erhebt sich effektvoll aus ihrem Versteck.
Bleibt mir noch, auf eines meiner Lieblingsthemen einzugehen. Ich bemängele seit Jahren die Darstellung einer Superintelligenz in der Serie. Stets ist von einer Ballung von Bewusstseinen die Rede. Dabei gab es vor hunderten von Heften einen anderen Ansatz. Auf diesen geht Michelle Stern in ihrem Roman ein. Das IEME hat ein Modell entwickelt. Demnach besteht ES nicht einfach aus einer Vielzahl von Bewusstseinen, sondern diese Bewusstseine existieren in verschiedenen Daseinsformen. Einige, vor allem jüngere aufgenommene Bewusstseine, sind individuell. Das erklärt, warum sie als Individuen abgegeben werden können. Andere sind mit vielen anderen Bewusstseinen verbunden, aber nicht mit allen. Es sind kleinere Kollektive. Die große Mehrheit ist ent-individualisiert und bilden das Residatum der Superintelligenz. Das Modell, das Michelle Stern hier beschreibt, war dringend notwendig. Alles andere hätte keinen Sinn gemacht. Ich hoffe, das Modell wird weiterentwickelt.
Mein Fazit: Der Roman war sehr vielschichtig, spannend, mit Überraschungen und brachte die Geschichte ein gutes Stück weiter.