Die Advokatin Bukk – von Kai Hirdt
Alaska Saedelaere und Gry O’Shannon sind noch immer im Primordialen Korridor unterwegs. Sie haben dort einen der Architekten FENERIKS, den Chaotekten Perneter Horizont, getroffen. Bei ihrer ersten Begegnung tief in der Vergangenheit während der Bauphase des Chaoporters hat das Cappin-Fragment des Unsterblichen die Aufmerksamkeit des Chaotekten erregt. Nun lüftet Saedelaere seine Maske und Perneter Horizont stirbt. Die beiden Terraner werden des Mordes angeklagt. Ein Fluchtversuch scheitert und die beiden kommen in Haft.
Ihnen droht die Todesstrafe und die Rechtsordnung des Korridors lässt den beiden Terraner auch wenig Hoffnung auf ein gerechtes Verfahren. Denn augenscheinlich ist insbesondere das Element der Verteidigung nur in geringem Ausmaß beteiligt.
Der Advokatin Bukk kommen die beiden Angeklagten gerade zur richtigen Zeit. Sie war selbst schon in Gerichtsverfahren tätig und kennt die Verfehlungen der Rechtsdiener zu Genüge. Sie hat sich davon abgewandt und bewusst die Rolle der Verteidigung übernommen, um den Angeklagten Beistand leisten zu können. Nur leider hat sie noch nie jemand engagiert. Saedelaere und O’Shannon sind ihre ersten Klienten. Und ihre Gegner im Verfahren sind durch und durch brutal und zu allen Gemeinheiten fähig.
Dazu kommt, dass an Angeklagten noch vor der Verhandlung häufig Selbstjustiz verübt wird. Eine von Bukks Stärken ist ihre Nahkampffähigkeit, mit der sie ihre Klienten schützen kann. Leider nicht gut genug. Der Maskenträger wird lebensgefährlich verletzt und Gry O’Shannon rettet sich in Dispersion an einen unbekannten Ort. Bukk will beide zur Verhandlung bringen. Der Anzug der Verheißung soll Alaska heilen und sie selbst sucht die Parabegabte. Die Terranerin ist unterdessen auf Umwegen mit Haretemir Horizont zusammengetroffen. Der zweite Chaotekt ist vom Tod Perneters nicht betrübt. Er will, dass Gry O’Shannon in das Sextadiment hinabsteigt, und dort nach Perneter zu suchen. Vielleicht ist sein Bewusstsein an diesem Ort gefangen. Das wäre etwas, was die beiden Chaotekten immer abgelehnt haben. Die Mutantin gerät in eine unwirkliche Welt und erfährt etwas mehr über FENERIK und seinen Ursprung. Das Fundament des Chaoporters ist ein Geflecht aus ÜBSEF-Konstanten.
Saedelaere glaubt inzwischen, dass er trotz Anzug und trotz Zellaktivator sterben wird. Er will vor Gericht die Schuld auf sich nehmen und vermacht Anzug und Zellaktivator an Gry O’Shannon. Als letzte Tat holt er seine Partnerin aus dem Sextadiment. Es kommt zur Gerichtsverhandlung.
Rezension
Mit dem Titel des Romans führt uns der Autor aufs Glatteis. Aus dem Vorgängerzyklus kennen wir den Advokaten Synn Phertosh, der für die Kandidatin Phaatom tätig war. Und da es in diesem Zyklus auch um Chaotarchen geht, hätte Bukk vielleicht eine ähnliche Funktion einnehmen können. Hätte. Tatsächlich ist Sudvuura Bukk eine klassische Anwältin. Wobei, eigentlich ist sie das nicht. Denn das Rechtssystem im Primordialen Korridor ist etwas verschroben. Man könnte auch sagen: Chaotisch. Was eigentlich seltsam ist, denn die Bewohner des Korridors, die sich als Korridoristen bezeichnen, huldigen weder der Ordnung noch dem Chaos.
Unbestätigten, aber nichtsdestotrotz (un)glaubwürdigen, Gerüchten zufolge, hat sich der Autor Kai Hirdt in der Vorbereitung dieses Romans über Wochen Gerichtssendungen in den Privaten angesehen. Herausgekommen ist eine Geschichte, in der die verschiedenen Parteien und Figuren an diesem Gerichtsdrama mal Kläger, mal Beklagte, mal Richter, mal Henker, mal Täter, mal Unschuldige, mal Jäger, mal Gejagte, mal Verteidiger, mal Staatsanwalt, mal Gefängniswärter, mal Gefängnisinsasse sind. Und ein paar Rollen mehr.
Kai Hirdts Geschichten sind meist komplex. So auch hier. Eigentlich ist das Szenario mit dem vermeintlichen Mord, dem ungerechten Rechtssystem und der seltsamen Verteidigerin schon ausreichend für die Geschichte. Der Autor baut weitere kleine Geschichten ein, die seine Figuren immer tiefer in FENERIK führen. Das ist vom Aufbau ähnlich den Traumwelten in Inception. Insbesondere Gry O’Shannon durchläuft verschiedene Ebenen. Ist der Chaoporter mit seinen Saumwelten schon ein recht merkwürdiges Gefährt, so ist der Primordiale Korridor eine Ebene tiefer eine Welt für sich. Gry O’Shannon führt ihr Weg aber in die (Traum)welt von Sanshy. Die verschafft ihr den Kontakt zu Haretemir Horizont, der sie wiederum in das Sextadiment schickt. Dort trifft O’Shannon ihre Schwester. Oder glaubt, sie zu treffen. Dann geht O’Shannon den Weg in umgekehrter Richtung.
Damit nicht genug, hetzt der Autor die Advokatin der Terranerin hinterher. Sudvuura Bukk macht dabei selbst sehr merkwürdige Erfahrungen. Nicht zu vergessen Alaska, der gegen den Tod, eine Ash’sharal als seine Ärztin und gegen das System kämpft.
Die Einordnung der Geschichte fällt mir schwer. Der Roman hat mir gefallen. Ich kann andererseits jeden Leser verstehen, dem der Roman nicht gefällt. Auf die Geschehnisse muss man sich einlassen können.