Das Talagon – von Dietmar Schmidt
Das Undenkbare ist geschehen. Tolcai hat das Talagon geöffnet und die Nukleotide Pest rafft alles Leben auf Talanis, Larsaf, Galkorrax, im Tunniumsystem und darüber hinaus dahin. Nur Perry Rhodan kann dem schleichenden Tod dank seines Zellaktivators zunächst noch Widerstand entgegensetzen. Zeit genug, um die Lebensgeschichte von Tolcai zu erfahren.
200.000 Jahre zuvor war er ein Cappin aus dem Volk der Takerer. Er hieß zu dieser Zeit Joshiron, war 13 Jahre alt und musste seinen Vater begleiten, der auf der Erde auf Talanis, dem späteren Atlantis, Gen-Experimente durchführte. Der Junge langweilte sich sehr, bis er zufällig ein altes Raumschiff der Horden von Garbesch fand. Darin ein inzwischen verstorbener Gesandter des Hordenführers Amtranik, der im Auftrag von SETH-APOPHIS das Talagon in die Milchstraße transportierte, um es gegen die Hilfsvölker von ES einzusetzen.
Die STRAHLKRAFT unter einem Cyno-Kommandanten hat ebenfalls in dieser fernen Vergangenheit Atlantis erreicht. Bei der Bergung des Talagons stirbt der Cyno und Joshiron, inzwischen 16 Jahre alte, wird zum neuen Kommandanten der STRAHLKRAFT ernannt. Er trägt das Talagon um den Hals, als Erinnerung an seine Herkunft. Über die Jahrtausende wird sein Körper in einen Roboter umgewandelt.
In der Handlungsgegenwart hat Tolcai, wie er sich nun nennt, vom Kosmokraten Tiryk einen Auftrag erhalten. Er soll den Zeittransmitter, eine Hinterlassenschaft ARCHETIMS, zerstören. Für Tolcai schließt sich ein Kreis. Er kehrt an den Ort zurück, an dem für ihn alles begann. Die STRAHLKRAFT öffnet den Hyperkokon und der Zeittransmitter stürzt in den Normalraum zurück. Als Tolcai sieht, dass das Artefakt ausgerechnet nahe Talanis/Atlantis auftaucht, gibt er sich ein eigenes Missionsziel. Tolcai, inzwischen vom eigenen Leben enttäuscht, inszeniert eine Intrige.
Rezension
Dietmar Schmidt verfolgt im zehnten Kapitel der Atlantis-Miniserie zwei Handlungsstränge. Der eine erzählt die Lebensgeschichte des Kosmokratenroboters. Der andere greift die Schicksale verschiedener Figuren auf, die der Nukleotiden Pest erliegen. Da diese Kapitel, bis auf eines, alle gleich ablaufen und gleich ausgehen, nutzt sich dieses Narrativ schnell ab.
Die Lebensgeschichte selbst ist stimmig erzählt. Der Vater/Sohn-Konflikt ist nicht unbedingt neu, aber der Autor kann in dieser Konstellation die Emotionen, die bspw. Direktor Toshik empfindet, wenn er mit seinem aufsässigen Sohn spricht, nachvollziehbar an den Leser transportieren. Diese Abschnitte der Geschichte haben mir zugesagt. Nach einem guten Drittel wechselt der Autor in den kosmischen Part, der dann ab der zweiten Hälfte den Roman dominiert.
Bezüglich des Wechsels der Atlantis-Serie zur Halbzeit in den kosmischen Part, hatte ich schon angemerkt, dass ich mit diesem Wechsel nicht viel anfangen kann. Die Serie hatte einen gelungenen Start mit sympathischen Figuren und nachvollziehbaren Handlungen. Ohne Bedrohungsszenario kommt die Perry Rhodan-Serie nicht aus. Also stiftete der Exposé-Autor auch der Atlantis-Serie eine Gefahr, die von den Helden bekämpft werden muss. Es geht um eine Waffe. Eine, die einen ganzen Spiralarm der Milchstraße entvölkern kann. Angesichts der Dimensionen dieses möglichen Unheils musste dann wohl auch die Entscheidung gefallen sein, die Hohen Mächte mit ins Boot dieser bis dahin bodenständigen Serie zu holen.
Dieser neue Kurs war extrem und gipfelt (bislang) in den vorliegenden Roman. Dabei entsinne ich mich noch ganz gut an die Anfänge. Lange bevor Atlantis publiziert wurde, hat Ben Calvin Hary einige seiner Ideen in Werkstattberichten veröffentlicht. Ben Calvin Hary hatte keine leichte Aufgabe. Er musste das vorhandene Material zu Atlantis sichten und in seiner Geschichte berücksichtigen. Frühere Romane (bspw. 50, 60 und 70) sind teils widersprüchlich. Der Autor hat einen erfrischend einfachen Kniff gefunden. Als Atlan seinen Freund Perry durch das neue Museum führt, lässt ihn der Autor erklären, dass seine Augenzeugenberichte nicht immer als historische Quelle taugen, da vieles von ihm nur geschätzt und anderes verkürzt wiedergegeben wurde. Damit entledigte sich der Autor geschickt einiger Ungereimtheiten aus früheren Romanen und konnte etwas befreiter seine eigene Geschichte entwickeln. Zu den Vorbereitungen gehörte auch das Entwickeln einer neuen Karte von Atlantis.
Die Werkstattberichte, die Schwierigkeiten mit den Widersprüchen aus der Serienhistorie, das Entwerfen der neuen Karte ließen für mich den Schluss zu, dass die Serie sich mit „dem“ Atlantis aus der arkonidischen Ära beschäftigen würde und eine Begebenheit erzählen würde, die eventuelle Unstimmigkeiten auflösen und einen neuen Blick auf die damaligen Ereignisse werfen würde. Und das Ganze ohne kosmischen Part. Ursprüngliche SF aus der Frühzeit der Serie also.
Nun, die Macher der Serie haben anders entschieden. Zur Halbzeit kam der Bruch. Für die „genetische“ Waffe wurde ein entsprechendes und verbindendes Handlungselement in der reichhaltigen Serienhistorie gesucht und gefunden. Die Takerer waren lange vor den Arkoniden auf Talanis/Atlantis und haben dort Gen-Experimente gemacht. Wenn dabei „aus Versehen“ eine biologische Waffe entstanden wäre, wäre der Zusammenhang noch zu akzeptieren gewesen. Doch das reichte nicht. Nun greifen die Autoren ganz tief in die an Konflikten nicht arme Serienvergangenheit. SETH-APOPHIS, die negative SI wird hervorgezaubert und ihr Kampf gegen die Mächtigkeitsballung von ES.
Die Horden von Garbesch werden instrumentalisiert, um eine Waffe der Chaotarchen gegen die Hilfsvölker von ES einzusetzen. Labori, Amtranik, ein Cyno. Der Autor fährt nun alles auf, was er zusammenraffen kann. Nebenbei macht er einen 16-jährigen zum Kommandanten einer Kobaltblauen Walze. Der pubertierende Jüngling muss natürlich in einem Schnellkurs in Kosmologie eingewiesen werden. Es folgen für den Jungen und damit zwangsweise auch für den Leser Abhandlungen zur Evolution des Lebens im Universum. Haarscharf schrammt Dietmar Schmidt dabei auch noch an Thez vorbei. Doch der Frage oder vielmehr der Antwort, wohin sich Kosmokraten und Chaotarchen entwickeln, verweigert sich der Autor dann doch. Dann noch ein bisschen Namedropping (Tiryk etc.) und fertig ist die Geschichte.
An der Lebensgeschichte fehlt noch ein bisschen, das vermutlich in den letzten beiden Heften aufgelöst wird. Zum einen, ob Tolcai durch das Öffnen des Talagons den „Weg“ des Cynos folgt, der nur durch seinen Tod aus dem Frondienst der Kosmokraten entlassen wurde. Zum anderen, warum diese unsinnigen Spiele veranstaltet wurden. Dass Caysey und ihr Sohn immun sind, wird dann sicherlich auch noch mit einer genetischen Herleitung geklärt werden.
Fazit: Atlantis hat seine Kohäsion und seine Unschuld verloren. Die ersten sechs Romane bauten ein bodenständiges Szenario auf, das in der zweiten Hälfte der Serie nun demontiert wird.