Ansichten zu Perry Rhodan Heft 2755

Der Schuldmeister – von Michael Marcus Thurner – Handlung:

Perry Rhodan wird an Bord der SPINYNCA von Guol Chennyr verhört. Der Onryone möchte von seinem Gefangenen den Aufenthaltsort der beiden Fraktoren Bostich und Avestry-Pasik erfahren. Da der Unsterbliche diese Informationen nicht preisgibt, lässt Guol Chennyr den Terraner zum Planeten Kaidhan fliegen und übergibt ihn dort dem Schuldmeister Tontosd. Am Raumhafen wird Rhodan von dem Ollcaden, wie sich die Bewohner Kaidhans nennen, in einem altertümlichen Dampfgefährt abgeholt. Der Ollcade Tontosd ist ein dreieinhalb Meter großes Vogelgeschöpf, dessen betont freundlicher Plauderton Rhodan sofort misstrauisch werden lässt. Dennoch wird der Terraner von einer Attacke des Foltermeisters überrascht. Perry Rhodan hat den Eindruck, er würde von dem Vogelwesen mit weit aufgerissenen Schnabel verschlungen werden. Als er wieder zu sich kommt und sich mit Entsetzen an diese Eindrücke erinnert, sitzt er gefesselt auf dem Gefährt Tontosds und wird zu dessen Haus gefahren. In einem weiteren Käfig wird der Ollcade Scoltermon transportiert, der nach Aussage des Folterknechts ebenfalls zu seinen besonderen Gästen zählen würde und sehr gefährlich sei.

Das schreckliche Erlebnis setzt Rhodan mehr zu, als er sich zunächst eingestehen möchte. Tontosd bezeichnet seine Fähigkeit als Kondifera. Damit erzeugt das Vogelwesen biochemische Reaktionen bei seinen Gefangenen, die zu starken Angstreaktionen führen. Trotz seiner Mentalstabilisierung ist auch Rhodan gegen das Kondifera nicht gefeit. Im Hort Tontosds angekommen, zeigt ihm der Schuldmeister sofort seine besondere Sammlung. Seine noch lebenden Folteropfer konserviert er in Vivo-Vitrinen. Anschließend wird Rhodan in ein unterirdisches Verließ gebracht und eingesperrt. Einen kurzen Moment der Unachtsamkeit bei Tontosd versucht Rhodan zur Flucht zu nutzen. Doch das Vogelwesen ist dem Terraner an Kraft und Schnelligkeit weit überlegen. Der Terraner wird durch einen Hieb bewusstlos. Als er wieder zu Bewusstsein kommt, ist er unablässig grauenvollen Geräuschen ausgesetzt. Wahrscheinlich werden in anderen Zellen andere Gefangene gefoltert. Rhodan versucht durch Bewegungen und Übungen einen klaren Kopf zu behalten.

Als sich Tontosd wieder zu ihm begibt, ist er vorbereitet. Er kann den Folterknecht überrumpeln und töten und aus dem Kerker fliehen. Doch Tontosd hat Rhodan hereingelegt. Ein alter Ollcade mit Holomaske hat sich statt seiner in die Zelle Rhodans begeben. Die nächste Zeit vergeht für Rhodan quälend langsam. Das Wasser in seiner Zelle ist vergiftet und schwächt ihn. Dann bekommt er überraschend Besuch von einem Greiko, in dem er Baudencerc erkennt. Baudencerc bezeichnet sich als den echten Baudencerc dieser Zeit, wohingegen der Direktor des Kontrafaktischen Museums ein Zeitzeuge aus der Zukunft sei. Zusammen bilden sie eine kontrafaktische Zwiegestalt. Rhodans Bitte, ihn aus den Klauen des Ollcaden zu befreien, lehnt der Greiko allerdings ab. Gegen die Methoden Tontosds ist der Greiko machtlos und er ist zudem von der Atopischen Ordo überzeugt. Immerhin macht er Rhodan auf eine Schwäche der Bewohner Kaidhans aufmerksam. Die Ollcaden vertragen den Anblick von toten Fleisch nicht.

Rhodan wird erneut von Tontosd zu dessen widerlicher Sammlung von Vivo-Vitrinen gebracht. Der Schuldmeister zeigt ihm einen Terraner, in dem Perry Rhodan seinen Sohn Roi Danton erkennt. Zurück in der Zelle wird er erneut von Baudencerc aufgesucht. Der Greiko und Rhodan geraten in Streit, bei dem Baudencerc eine Kralle verliert, deren Anblick Tontosd hart zusetzt. Rhodan wird auch mit dem Tod Scoltermons konfrontiert, dessen Folter er die ganze Zeit mit anhören musste.

Bei einem erneuten Verhör durch Tontosd erfindet Rhodan angebliche Planeten auf denen die anderen Fraktoren Zuflucht gesucht haben. Der Ollcade lässt Danton foltern und Rhodan muss dabei zusehen. Rhodan macht Tontosd klar, dass er nur dann verlässliche Aussagen machen wird, wenn sein Sohn freikommt. Als Danton aus der Vivo-Vitrine entlassen wird, stellt ihm Rhodan eine Frage, die Roi nicht beantworten kann. Danton ist eine Fälschung und Rhodan kann durch einen Angriff Tontosd überrumpeln. Doch dann tauchen Baudencerc und der noch lebende Scoltermon auf. Rhodan erfährt, dass es einen widerwärtigen Wettstreit zwischen Scoltermon, der die Puppe Dantons geschaffen hat, und Tontosd gegeben hat, wer dem Terraner die Informationen besser entlocken konnte.

Baudencerc greift nun ein und beendet das Treiben der Folterer. Sie haben die Richtlinien der Atopischen Ordo übertreten und nichts erreicht. Tontosd soll zur Rechenschaft gezogen werden. Rhodan wird zurück auf die SPINYNCA gebracht. Dort zeigt ihm Guol Chennyr ein ankommendes Raumschiff. Es ist das Raumschiff der Atopin Saeqaer, die CHEMMA DHURGA oder übersetzt DIE WIEGE DER LIEBE.

 

Rezension:

Als Rhodan mit dem Wagen Tontosds zum Haus des Foltermeisters gebracht wird, beobachtet er Vogelschwärme, die andere Häuser umkreisen. Gelegentlich stürzt sich ein Vogel nach unten und erhebt sich wieder mit einem Fleischbrocken in seinem Schnabel. Später in der Geschichte kommt dem Anblick toten Fleisches noch eine besondere Bedeutung zu. Laut Aussage des Greikos Baudencerc vertragen die Ollcaden den Anblick von toten Fleisch nicht und Tontosd zeigt tatsächlich diese Schwäche, die den Foltermeister für kurze Zeit sogar regelrecht außer Gefecht setzt. Außerdem ist dieses Element von Bedeutung bei der Aufklärung der Identität des vermeintlichen Roi Danton. Als nämlich die Puppe gefoltert wird und vermeintlich totes Fleisch am Körper zu sehen ist, bleibt Tontosd ruhig, weil er weiß, dass es eine Puppe ist und kein echtes Fleisch.

Merkwürdig nur, dass die Ollcaden den ganzen Tag nicht anderes tun, als ihre niederen Anverwandten mit Stücken von toten Fleisch zu füttern!

Was bot der Roman sonst noch? Michael Marcus Thurner greift das Thema Folter auf, das in unserer realen und ach so zivilisierten Welt leider täglich präsent ist und durch die Medien in unsere Wohnzimmer transportiert wird. Sei es beispielsweise eine deutsche Studentin, die von der argentinischen Militärjunta gefoltert und getötet wurde und deren Schicksal jüngst durch eine Dokumentation in Erinnerung gerufen wurde. Oder die Freilassung eines amerikanischen Soldaten nach fünf Jahren Gefangenschaft in Afghanistan oder die Berichte über Folter in Syrien und in anderen Ländern.

Die Folter als Bestandteil des Perryversums überrascht daher nicht wirklich. Es stellt sich allerdings die Frage, welche Ziele der Autor mit seiner Geschichte erreichen wollte? Nutzt MMT diese Geschichte vielleicht dazu einen flammenden Appell gegen Folter in die Serie einzubringen? Oder will er die rechts- und sozialwissenschaftlichen Aspekte der Folter unserer Zeit in eine fiktionale Zukunft spiegeln? Ging es ihm um politische Aspekte? Vielleicht ging es ihm auch nur um Aufklärung über ein Thema, das im realen Leben gerne verdrängt wird. Dabei hat, wie meine wenigen Beispiele oben zeigen, das Thema Folter doch eine ständige Präsenz in unserem Leben.

Nun ja, möglicherweise sind meine Anforderungen an Ziele und Hintergründe des Autors etwas zu hoch gegriffen und der eine oder andere geneigte Leser dieses Blogs mag einwerfen, dass es sich bei Perry Rhodan immer noch um Trivialliteratur handelt, die doch vornehmlich nur einem Zweck dient, nämlich dem der Unterhaltung. Leider bekomme ich dazu etwas Bauchschmerzen, denn das hieße ja, das MMT die Folter als unterhaltendes Element gewählt hat und nicht aus anderen Erwägungen heraus.

Tatsächlich ist von oben genannten möglichen Motiven nicht viel im Roman zu lesen. Michael Marcus Thurner setzt stattdessen einzig und allein darauf, welche Wirkung Folter auf den Verstand eines Menschen haben kann und zu welchen Maßnahmen Menschen greifen können, die einer Folter ausgesetzt werden. Die Herangehensweise ist subtil. Offensichtlich ging es dem Autor auch nicht darum, seine Leser mit detaillierten Beschreibungen zu brüskieren. Dennoch lässt der Autor gelegentlich auch Darstellungen einfließen, die grenzwertig sind.

Der Aufbau des Romans ist sehr geschickt. Und es gibt auch Wendungen, die ich so nicht erwartet habe. Der Autor lässt seinen Helden straucheln und wenn der Punkt erreicht ist, an der die Figur zu scheitern droht, baut er sie im nächsten Kapitel wieder auf, nur um sie sofort wieder Rückschläge erleiden zu lassen. Das hat MMT geschickt inszeniert. Auf Splatter verzichtet der Autor weitgehend, er greift lieber zu heimtückischeren Methoden. Insbesondere ab dem Zeitpunkt, als Rhodan am Raumhafen das erste Mal auf Tontosd trifft entfaltet der Autor eine durchgehend bedrohliche und beklemmende Atmosphäre. Das Auftreten des Foltermeisters erzeugte auch ohne dessen besonderer Fähigkeit, sondern alleine durch seine Sprache, ein gehöriges Unbehagen. Von daher war die Geschichte trotz des beängstigenden Themas interessant geschrieben, da es der Autor schafft, das Thema niemals zu tief abgleiten zu lassen. Nicht die Folter an sich wurde zu dominant in Szene gesetzt, sondern die Hauptfigur der Serie, die einen Weg finden musste, mit ihrer Angst umzugehen.

Mit der Auflösung des „Wettstreits“ und mit dem Einsatz der Figur Baudencerc verliert der Roman am Ende dann doch etwas, trotz der Wendungen. Baudencercs Motive seines späten Eingreifens sind vorsichtig ausgedrückt schwammig und der Einsatz von Folter war allen Beteiligten, nicht nur dem Greiko, sondern auch Guol Chennyr, einem der lieben Freunde des Foltermeisters, bereits vorher bekannt. Baudencerc hätte das Treiben, wie er es nennt, nämlich nicht beendet, wenn Tontosd Resultate aus der „Befragung“ Rhodans vorgelegt hätte. Und der Hinweis des Greiko, dass die Atopische Ordo „moralische Richtlinien“ hätte, ist zwar interessant, nur beschleicht mich das Gefühl, dass davon in diesem Zyklus nicht mehr viel zu lesen sein wird.

Dass das Atopische Tribunal in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich ist, wissen wir seit Band 2700. Dennoch bestand immer noch die Chance, im Tribunal einem Gegner zu begegnen, der vielleicht doch ehrenwerte Ziele verfolgt, jedoch vom Wege abgekommen ist. Dieser Roman und auch andere zuvor demonstrieren jedoch, dass der Gegner auf einem Niveau operiert, das ihn nicht mehr von irgendwelchen Verbrechern oder Terroristen unterscheidet. Und die besagten moralischen Richtlinien, sofern es sie gibt, scheinen kein geeignetes Instrument zu sein, Verfehlungen zu verhindern.

Um überhaupt noch eine Unterscheidung vom üblichen Gut und Böse möglich zu machen bedarf es eines differenzierter dargestellten Gegners. Momentan bewegt sich der Konflikt zu sehr in einem schwarz-weiß-Schema. Die wenigen Elemente, die den Gegner vielschichtiger präsentieren sind zu spärlich gesät, zuletzt war das die Onryonin Karynar, die zu den Proto-Hetosten übergelaufen ist und in diesem Roman die Figur Baudencerc, der aber auch nur halbherzig die Opposition ergreift.

 


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