Die Himmelsscherbe – von Michael Marcus Thurner – Handlung:
Ein Mensch erwacht ohne Erinnerungen an sein früheres Leben an einem unbekannten Ort. Das Unterbewusstsein des Mannes spült einen Namen an die Oberfläche, den Namen Rowdy Yates. Die Umgebung des Mannes wird von dreieckigen Formen und vielfältigen Farben dominiert. Trotz einer tiefen Erschöpfung kann Yates den Schlafraum verlassen und gelangt in einen ebenfalls dreieckigen Wohnraum mit lediglich einem Sofa, einer weiteren Tür, einem Fenster und drei Terrarien, die auf drei Säulen in der Mitte des Raumes stehen und froschartige winzige Lebewesen beherbergen. Sehr zum Erstaunen Yates´ können die Lebewesen von einem Terrarium zum anderen teleportieren. Der Versuch einer Verständigung misslingt, auch wenn Yates den Eindruck bekommt, die Froschartigen würden ihn genauestens beobachten. Ein Blick nach draußen zeigt starken Schneefall, Nebel und seltsame fledermausartige Wesen, die sich in dicke Felle gehüllt über gewundene Pfade bewegen und das Haus, in dem Yates erwacht ist, irgendwie scheuen, denn sie bewegen sich schneller, wenn sie auf gleicher Höhe mit dem Haus sind. Im Fensterglas kann der Mann auch sein Spiegelbild sehen und schlagartig kehrt seine Erinnerung zurück. Er ist Reginald Bull.
Endlich zeigt sich draußen auch mal die Sonne. In einem hügeligen Gelände verstreut stehen eingeschossige, dreieckige Gebäude. Ab und zu gleitet ein Luftschiff, ähnlich einem Zeppelin durch die Wolken. Bull hat keine Ahnung wo er sich befindet und keine Erklärung dafür, wie er im Weißen Saal der JULES VERNE dem Untergang des Schiffes entgehen konnte. Da er nackt ist, schnappt er sich die Decke seiner Liegestätte und wagt sich so geschützt nach draußen in den Schneesturm. Der Ausflug ist nur von kurzer Dauer. Neben der eisigen Kälte sind es vor allem fingergroße Schneekristalle, die in seine ungeschützte Haut schneiden und in zur Umkehr zwingen. Wieder im Haus verheilen seine Wunden dank des Zellaktivators schnell. Bull untersucht sein unfreiwilliges Domizil nun genauer und entdeckt auf einer der Wände einen Schatten. Als er mit den Fingernägeln an den Rändern schabt, kann er ein hauchdünnes, unzerreißbares Tuch von der Wand abziehen. Das Tuch sendet bei Berührung Impulse an Bulls Bewusstsein, ohne jedoch einen Zwang auf ihn auszuüben. Reginald Bull wagt es schließlich und hüllt sich in dem Tuch ein. In seinem Spiegelbild kann er beobachten, dass das Tuch über eine Mimikry-Eigenschaft verfügt, denn es verwandelt ihn äußerlich in eines der Bewohner dieser Welt, einen schwarzen Engel. Außerdem schützt und wärmt es ihn.
Der Terraner wagt sich erneut ins Freie. Die erste Begegnung mit einer der Riesenfledermäuse verläuft weitgehend problemlos, denn das Tuch unterstützt auch Bulls Bewegungsapparat, so dass er sich wie die Fremden bewegen kann und enthält auch eine Translatorfunktion. Bully erhält Kontakt zu sogenannten Auskunfteien. Die zumeist alten Bewohner stellen ihr Wissen für andere zur Verfügung. Der Redselige Ostrateus wird zu einem ständigen Begleiter Bulls. Ostrateus bezeichnet die Froschartigen Wesen in Bulls Haus auch als die Sonderbarsten. Die Bewohner nennen ihren Planeten Buq und sich selbst Buquer. Sie besiedeln insbesondere die Nordpol- und Südpolregion. Auf einer der 18 Kleinkontinente Buqs ist vor 35 Jahren eine Himmelsscherbe gestürzt. Der davon ausgehende Kristallblitz hat alles Leben dort ausgelöscht. Und die Strahlung breitet sich weiter aus. Reginald Bull ist von der Geschichte sofort fasziniert. Er möchte den Ort des Absturzes aufsuchen. Mit Hilfe der Auskunfteien und insbesondere von Ostrateus, dessen Urenkelin Omye und dem alten Zafelloyk, der ein Stück der Himmelsscherbe besitzt, rüstet Bull eine Expedition aus. Bevor er schließlich mit mehreren Begleitern in einem alten Luftschiff nach Clecveyz, dem mutmaßlichen Absturzort eines Raumschiffs aufbricht, bekommt der Terraner noch einen Eindruck seines neuen Aufenthaltsortes. In der Nacht zeigt der Sternenhimmel die drei Grazien, wie Ostrateus sie nennt. Es sind drei Spiralgalaxien, die von einem blau glühenden Band umgeben sind. Bull ist konsterniert, hatte er doch gehofft, noch in der Milchstraße zu sein.
Am 43. Tag nach Bulls Erwachen bricht das Luftschiff auf und erreicht 3 Tage später den Kleinkontinent Clecveyz und die Todeszone. Die Buquer leiden zunehmend unter der geheimnisvollen Strahlung und Zafelloyk stirbt daran. Bull verlässt mit einem Bodenfahrzeug das Luftschiff und dringt alleine weiter vor. Trotz seines Zellaktivators leidet auch Bull unter dem geheimnisvollen Einfluss. Endlich am Zielort angelangt, erkennt der Terraner ein abgestürztes unbekanntes Raumschiff. Die Umgebung ist übersät mit Trümmern und seltsamen bernsteinfarbenen Objekten. Aus dem Innern des Hauptkörpers erklingen Explosionen, so als würde dort gekämpft werden. Bull dringt in das Wrack ein, das sich tief ins Erdreich gebohrt hat. In dem Schiffswrack scheinen sich zwei Parteien zu bekämpfen. Als Bulls Anwesenheit entdeckt und er zum Gejagten wird, zündet der Terraner primitive Sprengsätze. Nun erkennt er einen seiner Gegner. Es ist Quick Silver.
Der Silberne gibt sich recht einsilbig. Bulls Tuch mit der Mimikry-Fähigkeit nennt er einen Identor und er fragt den Terraner, wie er mit den Sonderbarsten im Aufwachhaus zurechtgekommen ist. Bull vermutet, dass Quick Silver in dem Wrack etwas sucht. Die beiden so ungleichen Wesen machen einen Deal. Bull hilft dem Androiden bei der Bergung des Mnemotektonischen Steuerwerks, einem Relikt des Letzten Ersten. Dafür will Quick Silver in der Stadt Pha Gashapar, die auch die Stadt Allerorten genannt wird, ein gutes Wort für den Terraner einlegen und ihm so vielleicht die Rückkehr in die Milchstraße ermöglichen. Quick Silver ist bislang am Widerstand einer seiner Brüder gescheitert. Und auch die Teilwächter des Schiffes, die bernsteinfarbenen Objekte, machen mobil. Bull bekommt eine Waffe und Quick Silver verschwindet.
Rezension:
Die erste Hälfte des Romans von Michael Marcus Thurner lebte von der Einführung der Figur Reginald Bull in einer fremdartigen Umgebung. Davon, dass die letzten Ereignisse um den alten Weggefährten Rhodans etwa 40 Wochen zurücklagen, bemerkte man im Roman nichts. Die Geschichte zog sogar Profit aus dem langen Zeitraum. Ähnlich wie die Hauptperson einige Zeit benötigte, sich an die eigene Existenz zu erinnern und sich mit der Umgebung vertraut zu machen, wurde auch vom Leser eine gewisse Zeitspanne der Anpassung abverlangt. Das Tempo, dass der Autor dabei anschlug, stimmte. Die Erkenntnisgewinne der Figur, ihre Fortschritte und die erfreulich wenigen aber gut getimten Rückblenden für den Leser harmonierten sehr schön in der Geschichte.
Dem Autor schien es wichtig, zunächst ein Szenario aufzubauen, in der seine Figur ohne eine Bedrohung oder eine konkrete Gefahr ihrer Umgebung eher mit Neugierde als mit Misstrauen begegnet. Dabei stößt die Figur Bull auf viele kleine Probleme, die spontan gelöst werden müssen. Der Autor konnte dabei den besonderen Charakter der Figur herausstellen. Anders als Rhodan, der in einer ähnlichen Situation wohl dutzendfache Überlegungen zu höheren kosmischen Mächten und Wesenheiten angestellt hätte und vor Ort nach Verbündeten für einen Kampf gegen das Atopische Tribunal gesucht hätte, geht Bull die Lage hemdsärmeliger an. Natürlich will auch Bull nach Hause. Aber zunächst sind ihm seine ureigenen menschlichen Bedürfnisse näher und auch seine Kommentare zu Land und Leute sind eben typisch für diese Figur und werden von Michael Marcus Thurner wunderbar zu Papier gebracht. Für die sympathische Darstellung Bullys kann ich dem Autor auch verzeihen, dass er bei seiner Erläuterung zum Ursprung des Namens Rowdy Yates (Figur aus der Westernserie Rawhide, gespielt von Clint Eastwood) dem Schauspieler Eastwood im Perryversum die Karriere versagt hat. „Wer Perry Rhodan hat, braucht keine weiteren Helden“, wird vom Autor natürlich mit einem netten Augenzwinkern rübergebracht.
Am Ende der Geschichte findet die Figur Bull ihren Weg zurück ins Perryversum, d.h. die Geschichte, die vom Autor bis dahin zu einem großen Teil ohne das übliche Serienvokabular gestaltet wurde, erhält mit dem Auftauchen des Roboters Quick Silver wieder die Anbindung an die Zyklushandlung. Eigentlich schade, dass die frühzeitige Werbung vom Aufbruch der RAS TSCHUBAI auch Bully als Besatzungsmitglied benennt. Bull als Einzelkämpfer in fremder Umgebung über einige Romane hätte mir auch gefallen.
Seis drum, der Österreicher liefert eine sehr schöne Bully-Geschichte ab und ich bin gespannt, wie die Figur denn nun nächste Woche in die Heimat zurückgelangt.
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