Ansichten zu Perry Rhodan Heft 3340

Wer rettet die Retter? – Leo Lukas

In letzter Sekunde haben es Terrybor, Meg Ontares, Zhobotter und Sichu Dorksteiger aus der OBJEKTIV-Station 4774 geschafft. Mit einem Modulraumer der Wyconder ist ihnen die Flucht gelungen. Allerdings musste Terrybor eine schwere Entscheidung treffen. Der Antriebsteil, in dem auch 32 Mitglieder ihres Volkes waren, wurde von ihr abgesprengt. Die gefräßigen Miniaturroboter hatten sich dort ausgebreitet und hätten das ganze Schiff verschlungen. 97 Lichtjahre von der inzwischen zerstörten OBJEKTIV-Station entfernt treibt das Schiff ohne Antrieb und Hyperfunk durchs All. Da die Oberste Architektin ihrem Flaggschiff RITAKOR den Befehl gegeben hatte, ohne sie zur Heimatwelt zurückzukehren, ist Rettung nicht in Sicht. Sichu Dorksteiger scheint sich endgültig aufgelöst zu haben. Die Stimmung an Bord sinkt auf dem Tiefpunkt. Nach vergeblichen Versuchen, einen Hyperfunkspruch zu senden, empfängt Terrybor über die Orter, die noch funktionieren, wieder das geheimnisvolle Psi-Signal, das schon in periodischen Abständen auf der OBJEKTIV-Station entdeckt worden war. Zusammen mit Zhobotter entwickelt sie den Plan, den Psi-Puls mittels eines Reflektors zu spiegeln, in der Hoffnung, den Absender auf sich aufmerksam machen zu können.

In ferner Vergangenheit haben sich 95% eines Volkes zu einem gewagten Schritt zusammengefunden. Gildhva und Yornum, zwei Vertreter des Volkes, erinnern daran, dass ihre Ahnen einen Krieg verloren hatten, aber zumindest die Totalvernichtung des Sternenstroms verhinderten. Eine letzte Bedrohung wurde von ihnen entschärft. Um weiterhin die Bedrohung einzudämmen, vergeistigt sich die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung.

Die Reflexion des Psi-Puls führt zu einer unvermittelten Reaktion. Ein Tryortan-Schlund bildet sich vor dem Schiff. Auch Sichu Dorksteiger materialisiert sich. Die Ator ist der Ansicht, dass ein Durchgang durch den Tryortan-Schlund das Schiff versetzen könnte. Offensichtlich ist er künstlich erzeugt. Da man keine andere Wahl hat, lässt Terrybor das Schiff hineintreiben. Übergangslos wird man 1,2 Millionen Lichtjahre an das andere Ende der Agolei versetzt. Das Schiff schwebt über dem fünften Planeten eines Systems. Für Menschen ist die stark ammoniakhaltige Atmosphäre nicht atembar. Der Planet ist mit verlassenen Megastädten bebaut. Ein zweiter Transfer, diesmal mit einem Fiktivtransmitter, bringt das Schiff mitten in eine dieser Städte. Terrybor fühlt sich unwohl. Die Erbauer scheinen jene zu sein, von denen die Wyconder einst die Technologie gestohlen haben. Die hochwertige Transmittertechnologie lässt sie das vermuten. Ein Funkspruch in der Sprache der Mächtigen, die Sichu versteht, erreicht das Schiff: „Willkommen auf Yorgil! Rettet, denn ihr seid gerettet worden!“

Da alle anderen ihre Schutzanzüge bei der Flucht verloren haben, ist Sichu Dorksteiger diejenige, die das Schiff verlassen kann und sich auf die Suche nach dem Absender macht. Sie trifft auf primitive Lebensformen und nach längerer Suche kommt sie in Kontakt zu einem Wesen, das sich Yorgil nennt. Vor 300 Millionen Jahren hatten künstlich geschaffene Gravitationskräfte eine Galaxis zerrissen und die Agolei gebildet. Das Ereignis war Auftakt eines Krieges, der über unfassbare Zeiten geführt wurde. Die Yorgiler waren einst, als sie körperlich waren, die Steuerleute eines Sternenschwarms. Der Schwarm havarierte, nachdem er wahrscheinlich von einer Terminalen Kolonne angegriffen wurde. Sehr wahrscheinlich waren es dann die Chaosmächte, die vor 26.000 Jahren die Agolei verminten und zündeten. Der Krieg wurde dadurch entschieden und ist heute als Zerrüttung bekannt. Bei den Minen handelt es sich um Nekrophoren. Eine Nekrophore blieb jedoch über. Sie wurde von dem Kollektiv Yorgil in einem Hyperkokon eingesponnen. Nun ist der Hyperkokon durch einen Impuls instabil geworden. Die Zündungssequenz der Nekrophore wurde zudem aktiviert. Stürzt die Mine in den Normalraum zurück, wird alles Leben im weiten Umkreis ausgelöscht.

Sichu rechnet nach. Offensichtlich ging der Impuls vom explodierenden Mentatron auf der ELDA-RON aus. Neben Sichus Zustand hat das Unglück eine weitere fatale Folgewirkung! Jemand muss in den destabilisierten Hyperkokon eindringen und die Zündung der Nekrophore verhindern. Yorgil kann dies aufgrund seiner Körperlosigkeit nicht tun. Sie stellen aber ein Gerät zur Verfügung, mit der im Hyperkokon die Zündungssequenz der Nekrophore desaktiviert werden kann. Zhobotter überträgt sein komplettes Nanokontigent an Sichu Dorksteiger. Er selbst lässt sein Bewusstsein in Yorgil übergehen. Sein Körper wird eingefroren. Wenn Sichu zurückkehrt, soll der Prozess umgekehrt werden. Der Ator bleibt jedoch nicht viel Zeit. Sichu Dorksteiger gelingt das Vorhaben. Zurück an Bord kann Sichu das Nanokontingent jedoch nicht an Zhobotter zurück übertragen. Meg Ontares stellt fest, dass die Nanogenten den verhängnisvollen sechsdimensionalen Anteil in Sichus Körperzellen dauerhaft entfernen. Damit ist die Ator wieder körperlich. Zhobotter verbleibt in der Vergeistigung mit Yorgil. Er hat seine Gefühle zurück und ist glücklich. Yorgil versetzt das Schiff an seinen Ausgangspunkt zurück, wo bereits die RITAKOR mit Limator als Kommandantin wartet, um Terrybor als Verräterin festzunehmen.

Rezension

Das besondere an diesem Roman ist wohl, dass die „Lösungen“, die für Bedrohungen oder bedrohtes Leben in dieser Geschichte angewandt werden, die Leser zum einen auf falsche Fährten locken, zum anderen mit den Problemen um den Sternwürfel und den Anomalien der Gegenwart nichts zu tun haben. Wahrscheinlich nichts zu tun haben, füge ich einschränkend hinzu. Die Vergeistigung dieses Volkes, das Leo Lukas schildert, war eben kein Bestandteil von LEUN, wie ich zunächst vermutete, sondern geschah aus anderen Gründen. Das Volk hatte gar nicht die Absicht, zu einer SI aufzusteigen. Sondern hier ging es um Ereignisse aus noch fernerer Vergangenheit in der Agolei. Der Autor schildert die schon in früheren Romanen angeklungenen Zusammenhänge mit einem Schwarm und dem Technologieklau der Wyconder.

Bei Sichu Dorksteigers Rettung ging ich bislang davon aus, dass die Ator in ein Brennendes Nichts gezogen würde. Hier wäre die Rettung in Form einer Schattenhand eine Option gewesen. So zumindest meine Überlegungen. Tatsächlich gelingt die Rettung mal mit Bordmitteln, wenn man das so bezeichnen möchte. Eine selbst entwickelte Technologie, die zu medizinischen Zwecken eingesetzt wird, stabilisiert letztlich Dorksteiger. Was mir weniger daran gefällt ist, dass ich befürchte, die Autoren schlachten den Zustand der Figur nun ähnlich lange aus, wie sie es mit Reginald Bull und seinem chaotarchisch geprägten ZA taten. Über Jahrhunderte und hunderte von Romanen wurde dem herzensguten Bully etwas nachgeschrieben. Nämlich, dass er auf die dunkle Seite, die chaotarchische Seite der Macht gewechselt sei. Dabei lieferte sein Figurenhandeln nicht einen einzigen Grund in all der Zeit. Nun könnte Sichus Zustand zum Dauerbrenner werden. Ich sehe schon, wie Autoren dem Titelhelden die Worte in den Mund legen: „Sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich, sie liebt mich nicht, sie liebt mich, sie …“

Nur weil sie jetzt kleine Nanoroboter im Körper hat, muss sie doch ihre Gefühle nicht verlieren! Bei Zhobotter waren die Folgen seines Unfalls weitaus dramatischer. Sein Empathieverlust wurde mit dem Verlust wichtiger Gehirnareale erklärt. Sichu ist lediglich etwas übergewichtig geworden. Und vermutlich altert sie jetzt nicht mehr so schnell. Letzteres wäre doch eine erfreuliche Nebenwirkung.

Die Gefahr, die von Leo Lukas geschildert wird, ist einmal mehr kolossal. Eine Nekrophore bedroht alles Leben in der Agolei! Der Österreicher bleibt seinem flapsigen Schreibstil trotz der tödlichen Gefahr treu. Wenn er seine Figur Meg Ontares sagen lässt, dass sich die Yorgiler mit dem einspinnen der Nekrophore in einem Kokon letztlich ein Ei gelegt haben, dann stellt dies schon einen starken Kontrast dar. Allerdings musste ich an der Stelle dann doch schmunzeln.

Ein kurzweiliger Roman, der auf Figurenebene Entscheidungen fällt.


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