Ansichten zu Perry Rhodan Heft 3101

Die Letzten der Lemurer – von Robert Corvus

Die RAS TSCHUBAI hat nach ihrem Hypertrans-Flug das Einsatzgebiet erreicht. Am 16. Juni 2071 NGZ erreicht das Riesenschiff Cassiopeia. 5000 Lichtjahre vor der Zwerggalaxis beginnt die Besatzung mit der Untersuchung des Ziels. Doch zunächst sind viele Besatzungsmitglieder von einer anderen Sterneninsel beeindruckt. Denn nur 600.000 Lichtjahre entfernt liegt Andromeda. Dort wurde der Konflikt mit den Meistern der Insel ausgetragen. Von Perry Rhodan, der Jahrtausende später nun auch die Expedition nach Cassiopeia anführt. Mit an Bord ist auch die Chronistin Axelle Tschubai. Die 22-jährige heftet sich an Rhodans Fersen, nachdem sie von Gucky dazu einen kleinen Anschub bekommen hat.

Vom Chaoporter FENERIK, von dem die drei Deserteure bislang nur wenig Konkretes erzählt haben, fehlt jede Spur. Die Sterneninsel ist arm an schweren Elementen. Hochentwickelte Zivilisationen scheint es nur wenige zu geben, wie die vergleichsweise wenigen Hyperfunksprüche belegen. Näher an Cassiopeia erregen lichtschnell ausgesandte Übertragungen die Aufmerksamkeit der Besatzung. Die Sendungen zeigen Menschen, die sich von Terranern nicht unterscheiden. Eine Expedition mit Perry Rhodan, Gucky, Axelle Tschubai, Bouner Haad und einigen anderen Soldaten stattet dem Planeten der Bhanlamurer einen Besuch ab. Getarnt versuchen Rhodan und Co an Informationen zu gelangen. Obwohl die Bhanlamurer ein recht friedliebendes und musikalisches Volk sind, scheint die Gesellschaft in einem kollektiven Trauma gefangen zu sein.

Erst kürzlich fand ein Atombombenversuch statt und ein neues schlagkräftiges Schiff der Marine ist vom Stapel gelaufen. Perry Rhodan und seine Begleiter entdecken, dass die Bhanlamurer direkte Nachfahren der Ersten Menschheit sind. Im Dilatationsflug haben sie den Planeten erreicht, nachdem der Hyperantrieb ihres Schiffes den Geist aufgeben hatte. In den letzten tausend Jahren haben sie jedoch viel von ihrem Erbe vergessen. Nicht vergessen sind jedoch die Bestien, vor denen sie sich fürchten.

Die Missionsteilnehmer fühlen sich dank ihrer überlegenen Technologie sicher. Zu sicher, wie sich zeigen wird.

Rezension 

Robert Corvus, der zuletzt vor drei Jahren im Genesis-Zyklus drei Romane zur Serie beisteuerte, liefert mit diesem Roman den ersten Band eines Doppels ab. Die abwechslungsreiche Geschichte wird von zwei sehr unterschiedlichen Blickwinkeln geprägt. Eine kalte, gefühllose Geheimdienstchefin auf der einen Seite und teils gefühlvolle Betrachtungen und Einblicke auf der anderen Seite wechselten sich ab.

Der Geschichte ist anzumerken, dass der Autor nicht regelmäßig für die Perry Rhodan-Serie schreibt. Robert Corvus versucht bestimmte Muster zu vermeiden. Er stellt manches anders dar, als es routinierte Team-Autoren tun. Dadurch wirkt der Roman in Teilen erfrischend anders. Allerdings kann sich Corvus auch nicht vollständig von Serienimmanenten Richtlinien lösen, wie er es wohl gerne getan hätte.

Ganz am Anfang steht ein Text im Intro des Romans, dessen Inhalt allerdings dem Autor nicht anzulasten ist. Das Intro ist ein feststehender Text, der mit kleinen Änderungen jeden Perry Rhodan-Roman des Zyklus beginnt. Und in 3001 steht zu lesen, dass der Chaoporter im Auftrag der Chaotarchen gegen die Erde entsandt worden ist. Erstaunlich, denn das wurde in Heft 3000 nicht erwähnt. Hier verrät die Redaktion mehr, als es die Geschichte bislang hergab.

Zu Beginn seiner Geschichte führt der Autor die Chronistin ein. Die Nachfahrin des legendären Ras Tschubai passt gut an diesen Handlungsort. Die Expedition wird zwangsläufig mit Andromeda und den damaligen Geschehnissen verknüpft. Und Ras Tschubai war eben auch dabei. Und natürlich Perry Rhodan. Auch hier gelingt dem Autor ein stimmungsvoller Übergang in der Betrachtung des Helden aus Sicht einer jungen Frau. Denn dieser Held führt nun eine Expedition in die kosmische Nachbarschaft von Andromeda an. Jahrtausende nach dem Kampf gegen die Meister der Insel.

Die astrophysikalische Aufbereitung der Ortungsergebnisse und die damit verbundenen Diskussionen ordne ich der unkonventionellen Art des Autors zu. Zumindest was den Umfang dieser Beschreibungen angeht. Das war interessant geschrieben.

Man entdeckt beim Anflug auf Cassiopeia vergleichsweise wenig Hyperfunkverkehr. Erstaunlich, dass einmalmehr auf einem Hinterwäldlerplaneten nach Informationen zum Chaoporter geforscht wird. Da ist es leider wieder, dieses wiederkehrende Muster an Handlungsabfolgen, die jeden Zyklus prägen. Dabei habe ich gar nichts gegen die Planetenexkursion an sich. Nur die Art und Weise, wie und warum man dorthin gelangt, hätte man auch anders schreiben können. Warum nicht einfach einem dieser Hyperfunksprüche nachgehen und dabei per Zufall auf die Lemurer stoßen?

Einiges ist vorhersehbar. Sagt sich als Rezensent natürlich so einfach „nach“ der Lektüre. Aber einige Handlungsabfolgen sind durch sehr breit getretene Pfade unausweichlich gewesen. Dagegen macht sich der Autor hinsichtlich des Plots, wie eine an und für sich unterlegene Gesellschaft doch etwas gegen die Hochtechnologie der Terraner ausrichten kann, einige Gedanken. Zumindest was das Aufspüren Unsichtbarer angeht. Das sind ebenfalls gelungene Beschreibungen.

Dazwischen drischt uns Corvus aber auch pathetische Phrasen an den Kopf. Das stimmungsvolle Tänzchen der Soldaten auf der Insel wäre als ungewöhnliches Ritual auf fernen Welten ein interessantes Element gewesen. Dann aber zerstört der Autor diesen gelungenen Moment mit dem Dampfhammer, wenn Myrilla ihre Motivation von sich geben darf. Den, wie Gucky sich ausdrückt, „großen Worten“, lässt Myrilla dann allerdings gelungenere Gedankengänge folgen. An und für sich ein Abschnitt, der mir gefallen hat. Nur den Pathos dazwischen, selbst wenn er beabsichtigt war, um Guckys Reaktion und die nachfolgenden Worte zu erzwingen, hätte es nicht gebraucht.

Dann lässt Ungeschickt noch grüßen. Bouner Haad enttarnt sich in einer chaotischen Situation vor den einheimischen Bhanlamurern und erntet zu Recht eine Panikreaktion. Wie dumm war das denn? Selbst wenn der Haluter zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass er es hier mit direkten Nachfahren der ersten Menschheit zu tun hatte, den Lemurern, müsste ihm klar sein, dass er bei einem Angehörigen einer planetengebundenen Zivilisation, der gerade auf Unsichtbare trifft, nicht unbedingt auf Ratio setzen darf. Schon gar nicht, wenn sich übergangslos ein schwarzer 3-Meter-Riese mit glühenden Augen und wild gestikulierend aufbaut.

Zu dieser Vorhersehbarkeit gehörte es, dass die Terraner und Haluter bei dieser Mission ein Verhalten an den Tag legen, das von Sorglosigkeit und Fehleinschätzungen geprägt war. Die 25 Jahre Frieden in der Milchstraße haben Rhodan und Co unvorsichtig werden lassen. Am Ende kann mich der Autor noch überraschen, indem er Bouner Haad mit Gucky und Perry Rhodan zur Besprechung der Bhanlamurer stoßen lässt.

Der Roman hatte Höhen und Tiefen. Wenn man sich ein wenig auf die Story einlässt, sind es mehr Höhen als Tiefen.


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