Ansichten zu PR 2604

Die Stunde der Auguren – von Wim Vandemaan – Handlung:
Unmittelbar nach der Versetzung des Solsystems herrschen Chaos und Verwirrung auf Terra und den anderen Welten. Der Zentralrechner LAOTSE der Solaren Residenz ist ausgefallen und die Regierungsmitglieder, die sich in der Stahlorchidee aufhalten, sind zum Teil besinnungslos oder orientierungslos.
Der Journalist Shamsur Routh kommt in seiner Wohnung in Terrania-City, im Stadtteil Neu-Alashan zu sich. Er hatte seltsame Träume von toten Kranichen. Seine Erinnerung an den vergangenen Abend ist getrübt. Auch der Wohnungsservo kann nur bedingt Auskunft geben. Demnach ist Routh nach Betreten der Wohnung im Stehen eingeschlafen. Nachdem er wieder halbwegs klar denken kann, wagt er einen Blick nach draußen. Die Sonne ist kaum zu sehen, der Himmel zeigt ein fleckiges Rot. In Terrania schlagen viele Meteoriten ein und über der Stadt hängen Rauchfahnen. Es gibt zahlreiche Brände. Rettungskräfte sind überall im Einsatz. Routh macht sich Sorgen um seine Tochter Anicee. Seine Versuche, sie zu lokalisieren, scheitern. Auch Kom-Anrufe bleiben unbeantwortet.
In der Solaren Residenz werden in einer ersten Konferenz die Beobachtungen ausgewertet. Das Solsystem ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr an seinem Platz in der Milchstraße. Die Wissenschaftler führen das Bombardement der Gesteinsbrocken auf eine asymptotische Versetzung des Systems zurück. Dadurch sind Gesteinskörper aus der Oortschen Wolke in das Innere des Sonnensystems versetzt worden. Zahlreiche Schiffe sind in Raumnot geraten, zu NATHAN gibt es aktuell keine Verbindung. Die Nebelkuppel von Talanis ist verblasst. Damit ist die Verbindung nach ANTHURESTA nicht mehr existent. Auch der Polyport-Hof GALILEO hat seine Verbindung zum Polyport-Netz verloren. Die MOTRANS-Plattform SOLSYSTEM ist explodiert. Der Kristallschirm lässt sich nicht aufbauen. Die Versetzung hat die Menschen seelisch und körperlich beeinflusst. Die Wissenschaftler sprechen von einer unsichtbaren Dunkelheit, die die Menschen verwirrt und müde macht.
Shamsur Routh hat unterdessen seine Wohnung verlassen und macht auf der Straße seltsame Beobachtungen. Er scheint unter Erinnerungslücken zu leiden, jedenfalls kann er sich an Gebäude in der Nachbarschaft nicht erinnern. Auch anderen Menschen geht es so. Seine Nachbarin erkennt ihn nicht. Es kommt zudem zu seltsamen gravitationellen Irritationen. Routh kann endlich eine Botschaft von Anicee an ihre Freundin Auris abfangen. Die Spur führt ihn nach Hamburg, wo die Mutter von Auris lebt. Anicee und Auris wollen sich dort die Rede eines Außerirdischen, eines Auguren, anhören. Nach kurzer Recherche kann Routh seine Tochter in Begleitung von Auris auf der Reeperbahn entdecken. Die beiden jungen Frauen hören sich die Rede des Auguren Stradnavers an. Der Fremde, ein humanoides Wesen, spielt zuerst auf einem Musikinstrument, der Phenube, bevor er sich an die anwesenden Menschen wendet. Seine Worte scheinen insbesondere auf die jungen Terraner Eindruck zu machen. Der Fremde spricht von einer bevorstehenden Zeitwende für die Terraner. Auf Routh wirken die Worte banal. Andere ältere Zuhörer verlassen den Ort. Schließlich lädt der Augure die Menschen nach Terrania-City ein. Dort würde der Augur Stradhaird sprechen. Als Stradnaver die Reeperbahn verlässt, folgt ihm der Journalist zu einem pagodenartigen Zelt. Darin verschwindet der Fremde. Routh schickt ihm eine Spionsonde hinterher. Der Fremde ist verschwunden und im Zelt liegt der Torso eines Menschen.
In der Solaren Residenz jagt eine Konferenz die andere. Neben gravitationellen Irritationen, die als Gravospaltung und als Gravoerratik bezeichnet werden, beobachten die Wissenschaftler auch psychische Auswirkungen. Viele Menschen leiden unter einer leichten Demenz. Das Solsystem befindet sich in einer Raum-Zeit-Blase von ca. 150 Lichtjahren Durchmesser. 47 Sonnen wurden darin festgestellt. Bully entsendet einen Explorer der NEPTUN-Klasse, die BOMBAY, um ein 17 Lichtjahre entferntes System, zu untersuchen. Plötzlich materialisieren 3 fremde Nagelförmige Raumschiffe im System. Die Schiffe reagieren nicht auf Funkanrufe. Als 12 terranische Schiffe Sperrfeuer schießen, weichen die fremden Schiffe aus und nehmen Kurs auf die Sonne.
Shamsur Routh ist nach Terrania-City zurückgekehrt. Am Goshun-See, wo der Augure Stradhaird mehrere Reden hält, trifft er kurz auf seine Tochter. Die will nichts vom ihm wissen. Stradhaird spricht von den Sehnsüchten der Menschen und das die Sehnsüchte der Unsterblichen nicht die Sehnsüchte der Sterblichen seien. Als der Augure plötzlich auf die Sonne zeigt und davon spricht, dass das Alte stürzen wird, zerreißt ein nie gespürter Schmerz Rouths Geist.
Zur gleichen Zeit sind die fremden Schiffe in die Sonnenkorona eingetaucht und verschwunden. Auch die Verantwortlichen in der Solaren Residenz spüren den kurzen aber heftigen Schmerz.

Rezension:
Wim Vandemaan schildert die anfänglichen Ereignisse seines Romans aus 2 Blickwinkeln. Aus Sicht der Verantwortlichen von Regierung, Militär und Wissenschaft und aus der Sicht eines einfachen Bürgers. Insbesondere der Blickwinkel des Journalisten wusste zu gefallen. Während auf Regierungsebene – wie soll es anders sein – das übliche globale Chaos herrscht, gibt der Autor seiner Bürgerebene deutlich mehr Spielraum. Vandemaan nutzt diesen Raum und gibt dem Leser eine detaillierte Sicht auf die Erde im Jahr 5056. Neben Schilderungen der Infrastruktur und technischen Gimmicks wartet der Autor auch mit zahlreichen sozialen Beobachtungen der Gesellschaft des 51. Jahrhunderts auf.
Ich kann mich an keinen Roman der letzten 4-5 Jahre entsinnen, der in dieser Form und Intensität das Gesellschaftsmilieu der Erde aufgreift. Sicher, in dem einen oder anderen Roman wurde in den vergangenen Jahren auf die Situation der Globisten oder Neu-Globisten und deren persönlichem Umfeld eingegangen. Aber es wurden bei weitem nicht so intensive Aussagen zu sozialen Positionen und Lebensstilen gemacht, wie sie von Wim Vandemaan hier eingebracht werden.
Natürlich nutzt der Autor die Gelegenheit und bringt auch zahlreiche skurrile Einfälle in seiner Geschichte unter. Sei es das Gespräch über Traumdeutung zwischen Routh und Wohnungsservo, das Implantmemo Puc oder die Schilderungen der Reeperbahn in Hamburg. Es fehlte eigentlich nur noch ein Abstecher in die Herbertstraße. 😉
Dagegen verblasste die offizielle Ebene, zumal sie mit den PR-typischen „üblichen“ Szenarien spielt, die in einem Zyklusbeginn, zumindest nach Lesart des Expokraten, nicht wegzudenken sind. Soll heißen, die Terraner (und ihre Technik) sind mal wieder durch irgendwelche Ereignisse lahmgelegt, eingeschränkt oder jedenfalls nicht 100 Prozent einsatzfähig, so dass die bösen (?) Buben erst mal schalten und walten können, wie es beliebt.
Fazit: Die Schilderungen der Gesellschaft gefielen mir, das Szenario darum herum nicht.


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